Wir haben uns auf die Avancen einer scheinbaren Influencerin auf LinkedIn eingelassen, damit Sie es nicht tun. Ein Sturz in die Fluten der Gefühle.
Text: Bruno Habegger
Unvermittelt trat die Liebe meines Lebens auf mich zu, den ersten Schritt machend, mit einer Bestimmtheit, die einsame, verschmähte Männer lieben, jene, die noch nicht zu Incels geworden sind:
«Seeing you appear in my recommended friends, nice to meet you, hope we become friends :-D».
Auf meinen Einwand, das sei doch ein grosses Wort hier auf LinkedIn schrieb sie lapidar, sie wisse das. Um gleich darauf nachzudoppeln, sie habe Verwandte in meiner Region, die Linkedin für sie anzeigt. Sie wolle diese nächsten Monat besuchen, das sei vermutlich der Grund, warum ich in den LinkedIn-Empfehlungen aufgetaucht sei.
Ich bin ganz verzückt und stammle etwas von Freundschaften, die der wertvollste Schatz des Lebens seien. In dem Moment war mir nicht klar, dass dies in einer Hochzeit am Strand von Phuket enden würden, mit einer treusorgenden Ehefrau an meiner Seite, die mir jeden Morgen die Altersgebresten wegküssen würde.
Schnell zu WhatsApp gewechselt. Das Glück, ach, was, die Liebe wartet!
Tschou!
hello
Es ist Montag.
Sie arbeitet gemäss Profil für eine Kosmetikfirma, lebt und arbeitet in Paris. Stammt aber aus dem «beautiful Singapore». Die Alarmglocke läutet. Singapur ist die Heimat vieler Kryptowährungsdrückerkolonnen, eher Kryptowährungsmätressen. Eine Armee von Engeln ist unterwegs im Netz, um über alle Plattformen Willige zu suchen. Investitionswillige. Ich schmelze dahin. So eine Frau an meiner Seite und dabei noch reich werden? Herr, die Hiobszeiten sind vorüber.
Sie ist 36. Ich fühle mich noch älter, doch sie beruhigt mich, ein junger Geist sei doch wichtiger als das körperliche Alter. Das muss ich natürlich gleich herzen, was mich aber wiederum sofort als Boomer entblösst, denn das Herz-Emoji ist bei den jüngeren out, bin aber zu faul, den WhatsApp-Standard zu ändern.
Das übliche Geplänkel entfaltet sich im Stream, Hobbies, Leben, Arbeit, Familie und so weiter. Ihre Hobbies unter anderem Golf, Reisen, Tauchen «and so on». Aha. Exklusiv. Madame ist viel unterwegs. Scheint ja Geld zu haben. Umgehend folgen die Beweisfotos. Darunter das erste Bild beim Schwimmen. Oh je. How sweet!
Sie setzt ihre Kräfte dosiert ein. Plötzlich eine Sprachnachricht, eine süsse Stimme, die mir gute Nacht wünscht, ein Video, ein simulierter Blick auf sie, neben ihr liegend – das Smartphone, dein Lover der Neuzeit. Sie formt die Lippen zu einem Küsschen. Ich schmelze.
Es ist hart, der Frau zu widerstehen. Natürlich weiss ich, dass ihr Interesse gespielt ist, doch es ist fast wie bei den Borg. Widerstand ist zwecklos. Du wirst weichgekocht von extremer Romantik.
You do not yet know what I am seeking. What I need is not appearance, figure, or money. I am looking for a soul mate with whom my soul and I can communicate.
Und dann folgt das:
My dear, have you ever thought that we can hold a wedding between us at the seaside of Phuket, Thailand, without friends or relatives to witness, just me and your child. 😊
Keine Zeit zu verlieren. Schnell! Inzwischen ist es Freitag geworden, ich sende ihr den Link zur Fantasy Basel mit einem K-Pop-Workshop. Sind ja nur wenige Stunden von Paris. Sie geht nicht darauf ein, ignoriert den Hinweis. Vor der Hochzeit auf Phuket und dem Kauf einer Villa mit Coffee Shop sollten wir uns aber mal treffen, wende ich schüchtern ein. Ihre Antwort kommt hart:
Don’t you know what soul communication is?
Nach zahlreichen Mittagessen- und einem Workoutvideoclip folgt am Mittwoch:
«You are the best in my mind. I you must be the partner I want to find.»
Langsam verstehe ich, dass sie eine andere Form von Partnerschaft meint. Sie hat nämlich einen berühmten Onkel, der das Börsengeheimnis geknackt hat und mit dem sie Geld verdient.
Honey, möchtest du auch? Darling, es braucht nur ein kleines Kapital.
Es ist Freitagnacht, als sie mir diese Liaison dangereuse anbietet, die Kopulation mit irgendwelchen Algorithmen, die aus meinem Geld ihr Geld machen sollen, endend mit dem Gefühl am Morgen, ausgelaugt, ausgebrannt und ausgeraubt zu sein. Das warme Gefühl an verschiedenen Stellen meines analogen, veralteten Körpers verschwindet.
Ich lehne dankend ab und teile ihr mit, ich verstünde, dass sie nun jemand anderen an den Strand von Phuket entführen und im Coffee Shop gefangen halten werde.
Alles Gute, bye bye my love und Good night. Es war ein schöner Traum, du hast meine Seele gestreichelt, mein männliches Selbstwertgefühl gestärkt, Gefühle angeregt.
Nach ein paar Minuten banger Ruhe im Stream antwortet sie, die in den letzten Tagen bei praktisch jeder Nachricht ein Honey, Darling, Liebling oder sonstwas angefügt hat:
«Good night.»